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Mit angemessener Sorge beobachte ich das Geschehen in der weltgrössten Verkaufsplattform im Internet um alte Röhrenverstärker und wie diese unbedarften Käufern angeboten werden. Bei allen Träumen um den sagenhaften “Vintage-Sound” sollte man grundsätzlich einiges beachten, bevor man sein sauer Verdientes für so ein Gerät auf den Tisch legt. Diese Verstärker sind allesamt mehr als 35 Jahre alt und haben in den ganzen Jahren, selbst bei bester Pflege, fortwährend gelitten. Typische Erscheinungen sind ausgetrocknete Kondensatoren, die ihren Nennwert verloren haben und dazu auch gleich noch ihre Spannungsfestigkeit, oxidierte Regler, Widerstände weit jenseits des ursprünglichen Toleranzbereiches, brüchige Sicherungshalter, deutlich emissionsreduzierte Röhren, ein solider Dreckfilm, der seinerseits flächendeckend Bauteile untereinander elektrisch leitend verbindet und so fort. Ich habe schon viele solcher Geräte restauriert und wieder auf einen technisch einwandfreien Zustand gebracht. Die dadurch entstehenden Kosten belaufen sich nur für das Material im Mittel immer auf ca. 100 EUR, ohne den doch erheblichen, zeitlichen Aufwand für die Arbeit zu berücksichtigen. Damit lohnt sich so eine Anschaffung nur, wenn man sich wirklich der Gesamtkosten bewusst ist und dennoch mit einem solchen Gerät arbeiten möchte. Ein defekter Transformator (Netz- oder Ausgangstransformator) ist in der Regel ein wirtschaftlicher Totalschaden. Der kostet allein schon um die 100 EUR! Ein Hinweis wie “habe keinen Lautsprecher, Kabel, etc. und konnte nicht testen”, sollte Sorge bereiten. Gleiches gilt für “die Röhren glühen, aber weiter konnte ich nicht testen”. Ich sage es ganz bewusst: Ein 50+ Jahre alter Echolette- oder Dynacord Verstärker (nur um die zwei ehemaligen großen Deutschen Marken zu nennen), hat einen tatsächlichen Wert von ca. 50 EUR. wenn er noch einigermassen erkennbar dasteht. Alles darüber ist mehr oder weniger “Voodoo”. Denn auf diesen Wert muss man korrekter Weise den Aufwand für die technische Instandsetzung hinzu addieren, der im Mittel zwischen 150 und 200 EUR liegen dürfte. Damit wären wir dann schon bei 200 - 250 EUR Gesamtaufwand. Wenn der Amp aber jetzt schon bei *bay 160 EUR oder gar mehr kosten soll, sollte man sich Gedanken über die Wirtschaftlichkeit des Projektes machen. Bei einen vernünftigen Kaufpreis kann man allerdings auch ein sehr gutes Gerät erhalten, wie zum Beispiel einen Dynacord Bassking, der sich in den meisten Fällen finanziell tragbar restaurieren lässt. Restaurieren muss man aber grundsätzlich, auch wenn der Verkäufer die Originalität und Funktionalität beschwört. Denn der kleine Racker, oft liebevoll “Heizöfchen” genannt, hat bereits 60 Jahre auf dem Buckel, was viele Bauteile im Innern durch deutliche Alterung nachweisen. Dabei nicht durch eine blickdichte Staubschicht im Innern täuschen lassen, denn diese hat oft über die Jahre einen wirksamen Schutzmantel für die Technik darunter gebildet (siehe Abbildung auf meiner “Restaurierung” - Seite). Röhrenverstärker wegen Röhrenverzerrung? Die berühmte Röhrenverzerrung ist auch nur bei nahezu voll ausgesteuertem Verstärker zu erreichen, so dass man vor lauter Lärm davon schon fast nichts mehr mitbekommt. Für diesen Zweck gibt es kleine Effektgeräte (mit und ohne Röhren), die das viel besser können und dies auch schon bei moderaten Lautstärken. Diese Zeilen habe ich geschrieben, um auf die generelle Problematik aufmerksam zu machen. Die ernsthaften Ambitionen von fortgeschrittenen Spielern und Sammlern nehme ich dabei ausdrücklich aus. Und wer wirklich Spass an den alten Sachen hat, so wie ich ...... warum nicht!? Man gönnt sich doch auch sonst alles! :-) Da fällt mir noch etwas zu den Verzerrern (bzw. Overdrives, Fuzz, Distorsion) ein. Der berühmte Ibanez TS-808 oder auch TS-9 wird heute für teures Geld (als altes Originalteil) an den Mann gebracht, da ja angeblich der Operationsverstärker im Innern nicht mehr oder kaum noch zu bekommen ist und der soll ja für den Sound hauptverantwortlich sein. Deshalb muss man für dieses Bauteil, wenn man es überhaupt bekommt, etliche Euro auf den Tisch legen, obwohl es eigentlich lediglich ca. 35 Cent wert ist. * Stimmt! Aber auch nur, weil gerade nichts anderes herumstand. |
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(c) Bernd Brieskorn 2021 |